Wie ein harmloser Opernbesuch zur musikalischen Obsession wurde
Mein Name ist Thomas Chiari, und ich bin unheilbar musikbegeistert. Es ist ein sympathisches Leiden, das zwar nicht den Krankenkassenkatalog bereichert, aber durchaus Auswirkungen auf das tägliche Leben hat – zum Beispiel auf die Anzahl der Regalmeter, die für Tonträger reserviert werden müssen, oder auf die diplomatische Verhandlungsgeschicklichkeit in Familiengesprächen, wenn es um die Frage geht, ob sich Bruckner-Sinfonien als Frühstücksbegleitung eignen.
Die Wurzel des Ganzen? Ein harmloser Vater-Sohn-Ausflug ins Essener Opernhaus (heute Grillo Theater). Auf dem Programm: Mozarts Zauberflöte. Mein Vater nahm wohl an, dass das Kind sich an bunten Kostümen und munterem Gesang erfreuen würde. Was folgte, war jedoch keine freundliche Anekdote aus der Kategorie »Mein erstes Theatererlebnis«, sondern der Beginn einer lebenslangen Klang-Besessenheit. Seit jenem Abend ist Musik für mich nicht mehr nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern eine Art Grundnahrungsmittel, vergleichbar mit Sauerstoff, Espresso oder – für Norweger – Knäckebrot mit Brunost.
Heute lebe ich zwischen Essen und Oslo, bin verheiratet mit einer Norwegerin, Vater eines Sohnes und stets umgeben von Musik. Klassik, Jazz, Soul, Electronic – alles, was nicht klingt wie der Probealarm eines Rauchmelders. Ob Vinyl, CD oder Streaming, ist dabei nebensächlich. Hauptsache, die Musik wurde nicht durch einen Reiskocher mit Aufnahmefunktion geschickt. Meine HiFi-Anlage ist kein Statussymbol, sondern ein Werkzeug zur akustischen Wahrheitsfindung. Und die Wahrheit ist manchmal grausam: Eine schlechte Aufnahme bleibt eine schlechte Aufnahme.
Natürlich schlägt nichts ein wirklich gutes Konzert. Wirklich gut ist dabei die entscheidende Einschränkung, denn es gibt Abende, da dirigiert der Maestro mit dem Elan eines Steuerberaters bei der Jahresabschlussprüfung. Oder solche, bei denen das Publikum sich kollektiv auf bronchiale Klanggestaltung verlegt. An solchen Tagen bleibt die heimische Anlage der bessere Konzertsaal.
Was meine musikalischen Favoriten betrifft: Bruckner, Mahler und Grieg. Nicht, dass ich Beethoven oder Ravel verachten würde – ganz im Gegenteil –, aber es gibt Komponisten, die in einer Frequenz mit der eigenen Seele schwingen. Und diese drei tun das bei mir mit einer Beständigkeit, die fast unheimlich ist.
Diesen Blog betreibe ich, weil die Anzahl der erhältlichen Aufnahmen von Klassikwerken die Fähigkeit des durchschnittlichen Menschen zur Entscheidungsfindung übersteigt. Ich höre mich durch, damit ihr es nicht müsst. Solltet ihr durch meine Empfehlungen eine neue Lieblingsaufnahme finden, dann hat sich das Ganze schon gelohnt.
Falls ihr noch nie bewusst eine klassische Aufnahme gehört habt, empfehle ich Verdis Requiem als Einstieg. Danach gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ihr seid für immer infiziert – oder ihr beginnt umgehend mit der Recherche nach Gegenden, in denen Trompeten verboten sind. Beides ist völlig legitim.
Viel Freude beim Lesen – und vor allem beim Hören!