Pretty Yende »Dreams«
Pretty Yende »Dreams«: Arien wie aus gutem Porzellan
Schon bei den ersten Tönen dieses Albums fragt man sich sofort, warum man sie eigentlich nicht im Liegen hören darf. Oder besser noch: in einem dieser exzentrisch opulenten französischen Himmelbetten mit Baldachin und vier Postkarten von der Mailänder Scala auf dem Nachttisch. Pretty Yendes Album Dreams ist so ein Fall.
Die südafrikanische Sopranistin, die spätestens seit ihrer Rolle in »La fille du régiment« die Opernwelt zwischen Wien und New York mit der Leichtigkeit eines Federkiels bespielt, hat sich für ihr Debütalbum bei Sony Classical nicht etwa für ein eng umrissenes Repertoire entschieden – sondern für eine Art musikalischer Selbstporträt in Rollen, die ihr am Herzen liegen. Yende zeigt sich auf Dreams als lyrische Heldin, Koloratur-Artistin und romantische Verführerin, ohne je in barocke Selbstverliebtheit oder romantisches Schmelzgequietsche abzudriften.
Die Arien stammen unter anderem von Donizetti, Bellini, Gounod, Verdi und Delibes – ein Repertoire, das sich in der Theorie liest wie ein schwerverdauliches Opernbüffet aus dem Piemont des 19. Jahrhunderts, das aber hier so leichtfüßig serviert wird, dass man beinahe vergisst, wie komplex die Partien sind. Yende meistert das alles mit einer technischen Sicherheit, die nie protzig wirkt, sondern immer nach innen zu leuchten scheint.
Ihre Stimme gleitet durch Koloraturen wie eine Libelle über einen norwegischen Fjord im Spätsommer: glitzernd, beweglich, präzise. Dabei bleibt sie stets fokussiert und klar im Ausdruck. Nichts klingt bemüht oder gesucht – auch die heiklen Stellen in Arien wie »Ah! non credea mirarti« (Bellini) oder »Je veux vivre« (Gounod) geraten ihr so spielerisch, dass man sich fragt, ob sie vielleicht auch im Schlaf so singt.
Orchestriert wird das Ganze vom Orchester der Opéra National de Lyon unter Philippe Jordan – ein Mann, der offenbar weiß, wann es Zeit ist, der Sängerin florale Klangpolster zu legen und wann man ihr mit gezupften Pizzicati oder fein ausgeleuchteten Holzbläsern kleine Widerworte ins Gesangsbuch schreibt. Alles wirkt fein abgestimmt, musikalisch durchleuchtet, aber nie akademisch.
Besonders erfreulich ist die exzellente Klangqualität der Aufnahme. Die Aufnahme atmet – der Raum ist da, ohne überpräsent zu sein. Pretty Yendes Stimme steht plastisch im Raum, eingebettet in ein Orchester, das sich sowohl in dynamischer Ausgewogenheit als auch in feiner Auflösung hervorragend präsentiert. Hier wurde mit Ohr, Hand und vermutlich auch Herz produziert – und zwar so, dass audiophile Hörer ebenso glücklich werden wie jene, die einfach nur große Stimmen lieben.
Dreams ist mehr als ein Debütalbum – es ist ein Versprechen: auf viele weitere Aufnahmen, in denen sich technisches Können, stilistische Vielfalt und eine entwaffnende Natürlichkeit so mühelos vereinen. Wer wissen will, wie sich musikalische Intelligenz in pure Klangfreude übersetzen lässt, sollte dieses Album nicht nur hören, sondern – Verzeihung – inhalieren.
Komponist: Gounod, Donizetti, Bellini
Titel: Dreams
Interpretin: Pretty Yende
Dirigent: Giacomo Sagripanti
Orchester: Orchestra Sinfonica Di Milano Giuseppe Verdi
Erschienen bei: Sony Classical