Beethoven Klavierkonzerte Nr. 3 und 5

C-Moll, der große, düstere Bademantel Beethovens

Es gibt Komponisten, die in jeder Tonart gleich klingen – ein bisschen wie Menschen, die unabhängig von Wetter und Jahreszeit immer dieselbe Jacke tragen. Und dann gibt es Beethoven. Beethoven hatte eine Lieblingstonart für alles. C-Dur für »heute bin ich gut drauf«, Es-Dur für »der Kaiser kommt gleich zur Tür rein« und C-Moll für »lass mich in Ruhe, ich habe nachgedacht und bin zu erschütternden Erkenntnissen gelangt«.

C-Moll war also Beethovens persönliche Krisenzone, eine Art musikalisches Tagebuch für große, epische Seelennöte. Man denke nur an die Fünfte Symphonie, an die »Pathétique« oder – für die etwas zurückhaltendere Verzweiflung – das dritte Klavierkonzert.

Die C-Moll-Verschwörung

Nun könnte man sich fragen, warum gerade C-Moll? Eine Tonart ist schließlich nur eine Tonart, oder? Oh nein. Nicht für Beethoven. C-Moll war für ihn das musikalische Äquivalent eines besonders schweren, dunklen Bademantels, den er sich überwarf, wenn er sich mit existenziellen Fragen beschäftigte. Es-Dur hingegen – die Paralleltonart – war der Moment, in dem er den Gürtel dieses Bademantels löste und mit einer heroischen Geste den Sonnenaufgang über Wien begrüßte.

Das dritte Klavierkonzert bewegt sich genau in diesem Spannungsfeld: Es beginnt mit tiefer, grüblerischer C-Moll-Düsternis und endet in leichtherziger Es-Dur-Erleuchtung, so als hätte Beethoven beschlossen, dass das Leben vielleicht doch nicht nur aus Donner, Schicksalsklopfen und schlechtem Wetter besteht.

Eine Frage der Interpretation

Was macht eine großartige Aufnahme dieses Werks aus? Nun, zuallererst braucht es einen Pianisten, der nicht zu schön spielt. Ja, genau. Beethoven ist keine Chopin-Etüde, kein Dessert mit Sahnehaube. Zu viel Eleganz und Wohlklang, und die Musik verliert ihren Biss. Rudolf Serkin war ein Meister dieser etwas kargen, aber umso ausdrucksstärkeren Beethoven-Ästhetik. Seine Aufnahme mit Leonard Bernstein und dem New York Philharmonic gehört deshalb zum Pflichtprogramm für alle, die ihre Beethoven-Klavierkonzerte nicht nur schön, sondern auch richtig hören wollen.

Bernstein wiederum war ein Dirigent, der, wenn nötig, mit einem Vorschlaghammer dirigierte – was bei Beethoven meistens nötig ist. Hier klingt nichts übermäßig glatt oder gar zuckrig, sondern kernig, energiegeladen und bisweilen auch etwas rau. Kurz gesagt: eine Aufnahme, die Beethoven genau so zeigt, wie er sein wollte – als Titan, der seine C-Moll-Sorgen zu epischen Musikdramen formt.

Fazit

Wer Beethoven liebt, sollte das dritte Klavierkonzert hören. Wer es noch nicht liebt, sollte es ebenfalls hören – und dann die Aufnahme von Serkin und Bernstein auflegen. Und wer C-Moll immer noch für eine bloße Tonart hält, dem ist eh nicht mehr zu helfen.


Komponist: Ludwig van Beethoven

Titel: Beethoven: Piano Concertos Nos. 3 & 5

Dirigent: Leonard Bernstein

Orchester: New York Philharmonic

Erschienen bei: Sony Classical


Zurück
Zurück

Chiari hört. Jetzt auch auf Qobuz.

Weiter
Weiter

Scott Hamilton »Ballads for Audiophiles«