Bobo Stenson Trio »Contra La Indecisión«

Contra la indecisión oder: Wie man der Unentschlossenheit mit Eleganz begegnet

Dass Jazz manchmal ein bisschen anstrengend sein kann, liegt ja in der Natur der Sache. Man hat es mit einer Musik zu tun, die sich aus Prinzip nicht festlegen will, ständig Richtungen ändert und sich auch noch dafür feiert. Das ist wie ein Gespräch mit einem besonders gewitzten Intellektuellen, der jede Frage mit einer Gegenfrage beantwortet und dann doch lieber über ein Buch spricht, das man nicht kennt.

Und dann gibt es Bobo Stenson. Ein Pianist, der mit der Unaufgeregtheit eines schwedischen Sommerabends daherkommt und trotzdem nie langweilig wird. Sein neues Album Contra la indecisión ist – nomen est omen – ein Plädoyer gegen das Zögern, gegen das endlose „Ach, vielleicht doch lieber nicht?“ dieser Welt. Wer hier erwartet, dass Stenson sein Klavier dramatisch in Flammen setzt und musikalisch mit der Faust auf den Tisch haut, wird enttäuscht sein. Stattdessen macht er etwas viel Feineres: Er bleibt entspannt und überlässt die Hektik einfach den anderen.

Musikalische Qualität: Die hohe Kunst des Nicht-Übertreibens

Stenson ist ja bekannt für seinen poetischen Zugang zum Jazz, und dieses Album bildet da keine Ausnahme. Es beginnt mit dem titelgebenden Stück Contra la indecisión, einem Werk des kubanischen Liedermachers Silvio Rodríguez, das bereits mehrfach durch die Hände anderer Musiker gegangen ist. Hier klingt es, als hätte es sich nach einer langen Wanderung durch unterschiedlichste Stilwelten einfach mal auf Stensons Klavier niederlassen wollen.

Doch damit nicht genug der internationalen Inspiration. Bartók wird ebenso gestreift wie Federico Mompou und Satie – und das alles so nahtlos, dass man nie das Gefühl hat, sich in einer stilistischen Geisterbahn zu befinden. Die Band agiert dabei mit einer unfassbaren Geschlossenheit: Anders Jormin am Bass gibt der Musik diesen Hauch von nordischer Melancholie, während Jon Fält am Schlagzeug mit einer Zurückhaltung spielt, die an einen Kammermusiker erinnert, der vergessen hat, dass er eigentlich Jazz-Schlagzeuger ist.

Die Eigenkompositionen sind ebenso zurückgenommen wie tiefsinnig. Jeder Ton hat eine Bedeutung, nichts ist überflüssig. Man könnte fast sagen: Musik für Menschen, die keine Angst vor Stille haben.

Aufnahmetechnische Qualität: Wie eine Flüstertüte für Audiophile

Natürlich ist das Ganze eine ECM-Produktion, und das bedeutet: Alles klingt, als wäre man direkt im Studio dabei – nur ohne das unangenehme Gefühl, dass man gleich höflich gebeten wird, doch bitte endlich den Raum zu verlassen. Die Mikrofonierung ist so präzise, dass man glaubt, Stensons linke Hand einzeln begrüßen zu können.

Jormins Bass schwingt mit einer Wärme, die nichts mit der üblichen Kontrabass-Gewittrigkeit vieler Jazzaufnahmen zu tun hat, und Fälts Becken scheinen sich in einem Paralleluniversum zu befinden, in dem Schlagzeuggeräusche sanft wie Seidenpapier klingen. Es ist ein Klangbild, das einen nicht anschreit, sondern zu einem leisen, aber bestimmten „Na, was sagst du jetzt?“ ansetzt.

Fazit: Ein musikalisches Stoßgebet für die Gelassenheit

Contra la indecisión ist kein Album für Menschen, die auf ihren Jazz gern mit einer Extraportion Chaos und 13-Minuten-Soli bestehen. Hier wird nicht improvisiert, um zu beeindrucken, sondern um nachzudenken. Und das ist in einer Welt, die sich für ihr Tempo immer wieder selbst auf die Schulter klopft, eine ziemlich erfrischende Sache.

Wer sich darauf einlässt, bekommt ein Album, das nicht belehren, nicht beeindrucken, sondern einfach nur begleiten will – leise, klug und mit einer Haltung, die zeigt: Entschlossenheit muss nicht laut sein. Sie kann auch einfach gut klingen.


Titel: Contra La Indecisión

Interpret: Bobo Stenson Trio

Erschienen bei: ECM Records


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