Lars Danielsson »Salzau Music on the Water« (Live)

Morgendliche Schallwellen auf Schloss-Teich

Eigentlich wollte ich ja in diesem Blog nur Klassikalben vorstellen. Aber wie das so ist mit Prinzipien: Man kann sie entweder eisern durchziehen oder gelegentlich mit einer jazzigen Ausnahme das Repertoire abrunden. Schließlich geht es hier nicht um Dogmen, sondern um den Genuss von Musik. Und wenn ein Album wie Salzau Music on the Water vorbeischwimmt, dann sollte man sich kurz an die Reling lehnen und zuhören.

Jazz im Morgengrauen – Wahnsinn oder Genie?

Jazzmusiker haben bekanntermaßen ein schwieriges Verhältnis zum frühen Morgen. Wenn sie ihm begegnen, dann meist eher beiläufig, auf dem Heimweg von einer durchwachten Nacht voller Synkopen und geselligem Austausch mit ihresgleichen. Es gibt also zwei Möglichkeiten, wenn sich eine Jazzband um fünf Uhr morgens zu einem Konzert auf einem Steg über dem Salzauer Schloss-Teich zusammenfindet: Entweder handelt es sich um eine Verzweiflungstat nach zu viel Club-Gespräch oder aber um einen jener magischen Momente, in denen sich alles fügt. Bei Nils Landgren, Lars Danielsson und Christopher Dell war es Letzteres.

Ein akustisches Naturerlebnis ohne Gore-Tex

Die Umstände? Nun, das Festival JazzBaltica war gerade zu Ende gegangen, die Camper lagen in ihren Zelten und schnarchten den letzten Takt des Konzerts in sich hinein, während sich die drei Musiker auf der Installation Music on the Water niederließen – ein fragiles Bauwerk aus Holz und Stahl, das sich irgendwo zwischen Landungsbrücke und surrealer Kunstinstallation bewegt. Die Wände fehlen, das Dach ist mehr Geste als Schutz, und an den Streben hängen Haushaltsgegenstände, die der Wind in sanften Rhythmus versetzt. Und weil das nicht reicht, um eine CD zu rechtfertigen, gesellten sich noch erwachende Vögel und ein paar nörgelnde Schwäne hinzu.

Die Musik? Ein stilles Gespräch zwischen drei Nachtschwärmern und dem Morgengrauen

Das Ergebnis ist eine Aufnahme, die so weit vom Konzept einer nächtlichen Jam-Session entfernt ist wie eine Spätburgunder-Verkostung von einer Dorfkirmes. Keine überdrehten Saxofon-Eskapaden, kein virtuoses Imponiergehabe. Stattdessen sanftes, fast tastendes Musizieren – ein Dialog zwischen Landgrens samtener Posaune, Danielssons sonorem Bass und Dells schimmerndem Vibrafon. Die Musik schwebt, sucht sich ihren Weg zwischen Vogelgezwitscher und metallischem Klirren, ohne jemals den Fehler zu begehen, sich in den Vordergrund drängen zu wollen.

Ein Album für stille Stunden – aber keine, in denen man schläft

Was macht man nun mit einem Album wie diesem? Nun, es gibt Musik, die man auflegt, wenn man mit Freunden zusammensitzt, Musik, die man in Bahnhöfen über Kopfhörer hört, Musik für das Abendessen und Musik für Fahrten mit der S-Bahn. Salzau Music on the Water gehört in die Kategorie „Musik für Momente, in denen Stille eigentlich genug wäre, man aber trotzdem etwas hören will.“ Wer es wagt, sich frühmorgens mit einer Tasse Kaffee auf den Balkon zu setzen und die Stadt erwachen zu hören, hat mit dieser Aufnahme einen perfekten Begleiter.

Fazit: Ein Jazz-Album, das sich nicht aufdrängt – und genau deshalb so wertvoll ist

Manchmal entstehen die schönsten musikalischen Dokumente nicht in Studios, sondern in Momenten, in denen sich Menschen, Ort und Atmosphäre gegenseitig beflügeln. Dieses Album ist so ein Dokument – sanft, meditativ und klanglich voller kleiner Wunder. Eine Aufnahme, die eher nach Morgentau als nach Zigarrenrauch klingt. Und wer hätte gedacht, dass man Jazz einmal mit dem Wort „taufrisch“ in Verbindung bringen würde?


Titel: Salzau Music on the Water (Live)

Interpreten: Lars Danielsson, Christopher Dell & Nils Landgren

Erschienen bei: ACT Music


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