Fink meets The Royal Concertgebouw Orchestra
Fink und das Orchester der Offenbarung
Man muss ja zugeben, dass „Singer-Songwriter trifft auf großes Sinfonieorchester“ meist die gleiche Fallhöhe birgt wie „Gourmetkoch entwickelt Burger-Menü für Fast-Food-Kette“. Entweder es wird ein aufgeblähter, pseudotiefgründiger Kitschbrocken, den man im Dunkeln für einen Bond-Soundtrack halten könnte, oder die Arrangements sind so vorsichtig und „respektvoll“, dass man sich fragt, warum man die ganze Chose nicht gleich im kleinen Club belassen hat.
Und dann kommt Fink, also Fin Greenall, und macht mit dem Royal Concertgebouw Orchestra etwas, das sich mühelos in beide Lager hätte verirren können – und doch gelingt hier das kleine Wunder. Denn Fink Meets The Royal Concertgebouw Orchestra ist kein gewöhnlicher Live-Mitschnitt, sondern eine so kongeniale Fusion zweier Welten, dass selbst notorische Crossover-Skeptiker am Ende stillschweigend nicken und ihre Zweiflerbärte kraulen.
Die Kunst, ein Orchester nicht wie eine Tonnenlast wirken zu lassen
Greenall, der sich in seiner Musik bislang auf reduziertes Gitarrenspiel, hypnotische Grooves und seine markante Stimme verlassen hat, bleibt sich auch hier treu. Das Orchester ist keine dekorative Zutat, kein bombastischer Zuckerguss auf einem sonst feingliedrigen Gerüst. Es greift nicht ein, um aufzublähen, sondern um zu vertiefen. Wo vorher Melancholie war, ist jetzt ein Schimmer Dramatik. Wo vorher Reduktion war, ist nun Weite.
Die Arrangements von Jules Buckley greifen dabei klugerweise nie zur vollen symphonischen Kelle, sondern setzen auf nuancierte Schattierungen. Besonders eindrucksvoll gelingt dies in „Berlin Sunrise“, das sich von einem intimen Gitarrenstück zu einem epischen Klanggemälde entfaltet, ohne dass man je das Gefühl hätte, das Lied sei überladen worden. Und wenn in „Sort of Revolution“ am Ende alles aufeinandertrifft – Band, Orchester, Streicher, Blech, Percussion –, dann ist das nicht einfach ein dicker Schlussakkord, sondern der Moment, in dem man kurz innehalten muss, weil es plötzlich passt. Als hätte es schon immer so sein müssen.
Audiophile Freuden: Raum, Tiefe und ein wenig Ehrfurcht
Natürlich hat so eine Produktion einen weiteren entscheidenden Prüfstein: den Klang. Und was soll man sagen – hier hat man nichts dem Zufall überlassen. Die Aufnahme klingt, als säße man selbst im Concertgebouw in einer der besten Reihen, leicht zur Mitte geneigt, um auch ja den kompletten Stereoeindruck mitzunehmen.
Besonders beeindruckend ist die Mischung aus Intimität und Weite. Finks Stimme bleibt klar und fokussiert, sein Gitarrenspiel hat weiterhin diese direkte, körperliche Präsenz. Gleichzeitig breiten sich die Streicher und Bläser mit einer Selbstverständlichkeit aus, dass man fast vergisst, dass hier zwei völlig unterschiedliche musikalische Welten aufeinandertreffen. Bei „Perfect Darkness“ passiert das, was nur selten passiert: Man hört ein Lied, das man schon kennt, aber in dieser Form plötzlich neu fühlt. Und das ist doch eigentlich genau der Punkt solcher Experimente.
Das Vinyl-Release verdient eine besondere Erwähnung: Die Pressung ist von hoher Qualität, das Klangbild noch eine Spur wärmer und plastischer als in der Digitalversion. Wer sich gerne im Konzertsaal wähnt, sollte also die schwarze Scheibe dem Stream vorziehen – wobei, zugegeben, auch die digitale Fassung eine ausgezeichnete Figur macht.
Fazit: Musik, die in der Luft steht
Es gibt Alben, die hört man und denkt sich: „Aha, nett gemacht.“ Und es gibt Alben, die hört man und denkt sich: „Warum zur Hölle macht das nicht jeder so?“ Fink Meets The Royal Concertgebouw Orchestra gehört zur zweiten Sorte. Es ist der seltene Fall eines orchestralen Crossover-Projekts, bei dem sich beide Seiten auf Augenhöhe begegnen. Keine Überwältigung, keine Samthandschuhe – sondern ein musikalischer Dialog, bei dem man die Luft im Saal beinahe mit den Händen greifen kann.
Das ist ein Live-Album, das zeigt, was Live-Musik wirklich kann. Es erschafft einen Moment, der konserviert wurde, aber nicht erkaltet ist. Ein Album, das klingt, als würde es immer noch weiter in der Luft schweben, lange nachdem man es eigentlich ausgeschaltet hat.
Titel: Fink meets The Royal Concertgebouw Orchestra
Musiker: Fink
Erschienen bei: Ninja Tune