Kjartan Sveinsson »Der Klang der Offenbarung des Göttlichen«

Kjartan Sveinsson und die große Unaufgeregtheit

Es gibt Musik, die einem mit einem Paukenschlag die Tür vor der Nase zuschlägt, und es gibt Musik, die einen langsam in einen Raum lockt, von dem man nicht sicher ist, ob er überhaupt Wände hat. Der Klang der Offenbarung des Göttlichen von Kjartan Sveinsson gehört zur zweiten Kategorie. Ein Album, das sich irgendwo zwischen Oper, Oratorium und Klanginstallation bewegt, ohne jemals wirklich anzukommen.

Kjartan Sveinsson, bekannt als ehemaliges Mitglied von Sigur Rós, hat sich mit diesem Werk auf ein musikalisches Terrain begeben, das sich konsequent jeglicher Einordnung entzieht. Keine Rockband, keine Post-Rock-Eruptionen, stattdessen ein neoklassizistisches Werk mit einem Kammerorchester, Chor und einer sanft insistierenden Erhabenheit. Es ist Musik, die den Eindruck erweckt, als könnte sie in einem isländischen Fjord ebenso gut funktionieren wie in einer gotischen Kathedrale – oder in einem besonders nachdenklichen Moment mitten im eigenen Wohnzimmer.

In vier Sätzen entfaltet sich ein Klangraum, der weniger auf Melodien setzt als auf Atmosphäre. Man könnte sich darüber beschweren, dass hier wenig passiert, aber das wäre so, als würde man einem Nebel vorwerfen, keine Handlung zu haben. Die Musik schwebt, wächst langsam und scheint sich dabei selbst zu beobachten. Wer sie ungeduldig nach einem Höhepunkt abklopft, wird feststellen, dass sie keinen solchen im klassischen Sinn hat – nur ein langsames Erblühen und Vergehen, ein großes musikalisches Atmen.

Man kann dieses Werk auf verschiedene Weisen hören: als kontemplativen Klangstrom, als geisterhafte Oper ohne wirkliche Protagonisten oder als die musikalische Entsprechung eines Filmes von Andrei Tarkowski – ein Soundtrack für lange, melancholische Kamerafahrten durch verlassene Landschaften.

Ob das nun wirklich eine Oper ist, bleibt eine Frage, die sich mit jedem Hördurchgang mehr auflöst. Vielleicht ist es eher eine Andacht. Oder ein akustischer Nebel, in dem sich Gedanken verfangen wie vereinzelte Herbstblätter in einer Kirchenruine. Sicher ist nur: Wer ein Faible für feierliche Klangräume hat, wer gerne in Musik eintaucht, ohne dass sie sich sofort erklären muss, wird hier fündig.

Und falls nicht: Man kann es sich ja immer noch als Hintergrundmusik zu einer besonders weltabgewandten Teestunde auflegen. Auch das wäre eine Form der Offenbarung.


Titel: Der Klang der Offenbarung des Göttlichen

Musiker: Kjartan Sveinsson

Erschienen bei: Krunk


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