Händel Concerti Grossi, Opus 3

Händel, Opus 3 – musikalischer Flickenteppich mit Goldkante

Händels Concerti grossi op. 3 sind ein Fall für sich. Nicht komponiert in einem Rutsch, nicht veröffentlicht unter Aufsicht des Meisters, nicht mal vollständig aus Händels eigener Feder – und doch gehört diese Sammlung zum Schönsten, was barocke Orchesterliteratur zu bieten hat.

Die sechs Konzerte wirken wie aus Versatzstücken zusammengesetzt. Manche Sätze stammen aus früheren Bühnenwerken, andere scheinen Notizbuchskizzen zu sein, die jemand kurzerhand in ein Concerto überführt hat. Der Londoner Verleger John Walsh veröffentlichte sie 1734, vermutlich ohne Händels direkte Beteiligung. Manches darin mag nicht einmal von ihm stammen. Oder nur halb. Oder vielleicht ganz, aber nicht so gemeint.

Trotz dieser schattigen Quellenlage entfalten diese Werke ihren ganz eigenen Reiz. Formal einfacher als die späteren Opus 6-Konzerte, klarer in der Anlage, aber reich an Farben, Charme und melodischer Fantasie. Hier wird weniger argumentiert, dafür mehr erzählt. Die Musik atmet und tanzt, mal festlich, mal verspielt, nie prätentiös.

Die Aufnahme mit Concerto Copenhagen unter der Leitung von Lars Ulrik Mortensen bringt all das aufs Schönste zum Klingen. Keine barocke Strenge, keine übertriebene Frömmigkeit, kein akademisches Gehabe. Stattdessen: Wärme, Klarheit, Eleganz. Die historischen Instrumente singen, die Tempi fließen, die Affekte wirken natürlich und ungezwungen.

Holzbläser und Streicher bewegen sich mit Leichtigkeit durch die Partituren, ohne den barocken Gestus zu verlieren. Die Continuogruppe – mit Cembalo und Orgel – liefert ein tragfähiges, oft überraschend farbiges Fundament. Nichts wirkt museal oder distanziert. Diese Musik lebt, spricht, lacht.

Ein weiterer Reiz dieser Interpretation liegt in der Unabhängigkeit vom englischen Händel-Traditionsklang. Kein Pathos, kein klanglicher Überschuss. Stattdessen eine fast kammermusikalische Transparenz, gepaart mit jener intuitiven Musikalität, für die Mortensen bekannt ist. Das Ergebnis: Musik mit Herz und Intellekt, barock im besten Sinne – als Spiel mit Formen, Farben und Freiheit.

Der klangtechnische Rahmen ist ebenso gelungen: klar, präsent, mit feinem Raumgefühl und ohne künstliche Überzeichnung. Jede Stimme hat Platz, jeder Dialog zwischen den Instrumenten bleibt durchsichtig. So hört man nicht nur Händels Musik, sondern auch das Ensemble selbst – seine Freude, seine Disziplin, seinen Sinn für Balance.

Wer sich bisher nur mit den Concerti grossi op. 6 beschäftigt hat, wird hier überrascht. Und belohnt.
Wer glaubt, Händel sei nur mit Chören und Pauken zu haben, wird hier eines Besseren belehrt.
Und wer glaubt, dass Stücke zweifelhafter Herkunft auch klanglich zweitklassig sein müssen, wird diese Aufnahme lieben.


Komponist: Georg Friedrich Händel

Titel: Concerti Grossi, Op. 3, Nos. 1-6

Dirigent: Lars Ulrik Mortensen

Orchester: Concerto Copenhagen

Erschienen bei: CPO


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