Nagra Classic CDP
Foto: Nagra
Der Nagra CDP – oder: Was leise spielt, ist oft ein Genie
Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Der CDP sieht aus wie ein Medizintechnikertraum kurz vor der Serienreife. Nichts blinkt, nichts gähnt in übergroßen OLED-Ziffern. Stattdessen: ein nüchterner Metallkasten mit Drehschalter, Display und einer Lade, die so geschmeidig ausfährt, als sei sie bei der Schweizer Bahn in die Lehre gegangen. Wer das Design als schmucklos bezeichnet, hat vermutlich auch bei einer Patek Philippe bemängelt, dass die Zeiger zu wenig Glitzer haben.
Schon das Öffnen der Lade ist ein taktiles Gedicht: Der Motor stammt von Maxon – jenen Leuten, die auch Mars-Rover antreiben. Das ist keine Übertreibung. Und sollte der Mars-Rover jemals eine musikalische Pause einlegen wollen, würde man ihm vermutlich raten: „Spiel was von Dieter Ilg, aber nur über den CDP.“
Die Laufwerksmechanik stammt von Philips – das berühmte CD-Pro2M – wurde aber von Nagra mit chirurgischer Präzision entkoppelt, gedämpft, geadelt. Der Disc-Clamp, ein kleines Stück gedrehten Metalls, das mit der Gravitas eines Zen-Meisters die CD bändigt, sorgt zusammen mit der Silikonlagerung für vibrierfreie Ruhe – als hätte man in einem Tonstudio eine Meditationsglocke geläutet.
Und innen?
Das digitale Signal wird von zwei Burr-Brown-Delta-Sigma-Wandlern verwandelt – ein Prozess, der klingt, als hätten zwei zurückhaltende, aber sehr kompetente Bibliothekare eine Wagner-Partitur in ein Kammermusik-Quartett übersetzt. Kein Upsampling-Zirkus, keine DSP-Feuerwerke. Stattdessen achtfaches Oversampling, feingliedrige analoge Ausgangsstufen und neun (!) diskret aufgebaute Spannungsregler, die wirken, als sei das Stromnetz draußen einfach nicht kultiviert genug für so ein sensibles Innenleben.
Dass der CDP kein SACD kann? Geschenkt. Auch Nagra hält nichts vom Ein-Bit-Fetischismus, wenn die Kette im Studio ohnehin wieder ins PCM konvertiert wird. Der CDP spielt schlicht und ergreifend: CD. Und das, wie man nach wenigen Minuten merkt, in einer Qualität, die weder laut noch spektakulär daherkommt – sondern schlichtweg... richtig.
Klang? Klang!
In den ersten 48 Stunden dachte der Autor noch, er hätte es hier mit einem besonders gepflegten Langweiler zu tun. Doch dann: die Wende. Da war plötzlich ein Ausklingen, das vorher nicht da war. Da klagte ein Cello nicht nur – es seufzte. Da war Raum, Tiefe, Luft. Nicht als Effekte, sondern als selbstverständlich integrierte Teilaspekte eines größeren Ganzen. Alles war da, aber nichts wollte besonders auffallen. Kein Frequenzbereich ruft „Hier!“, kein Timbre posiert für Instagram. Der Nagra spielt, als wüsste er: Der Klang braucht keine Showtreppe.
Selbst die kitschverdächtige »Im Märzen der Bauer«-Adaption von Dieter Ilg wurde zur swingenden Offenbarung. Der CDP legte nicht bloß auf – er interpretierte. Feinfühlig, zurückhaltend, souverän. Ein Aristokrat in Turnschuhen.
Fazit?
Der CDP ist nichts für Spektakel-Liebhaber. Er ist für jene, die wissen, dass wahre Raffinesse sich nicht in knisternden Höhenschärfen oder schweißtreibendem Bassdruck zeigt – sondern in Stille, Struktur, Intuition. Wer ihn hört, beginnt zu glauben, dass Schweizer Präzision nicht bloß ein Marketingmythos ist, sondern eine Frage der Haltung.
Kurzum: Der Nagra CDP ist ein Gerät, das man nicht sofort versteht – aber auf lange Sicht nicht mehr missen möchte. Wie ein guter Essayband. Oder ein feiner Riesling. Wobei letzterer, so hört man, bislang noch keine externen Netzteile entkoppelt hat. Aber wer weiß: Vielleicht kommt das noch.