Holst »Die Planeten«
Holst: Die Planeten – Ein orchestrales Planetarium mit Karajan und den Wiener Philharmonikern
Musik kann vieles sein: ein zartes Flüstern, ein gescheiterter Versuch, eine Wand einzureißen, oder in diesem Fall – ein intergalaktischer Ausflug mit Zwischenstopp auf den größten Charakterdarstellern unseres Sonnensystems. Gustav Holsts Die Planeten ist ein Werk, das nicht einfach nur gespielt, sondern zelebriert werden will. Es ist eine Partitur voller kolossaler Akkordballungen, rhythmischer Urgewalten und sphärischer Feinsinnigkeit. Und kaum jemand hat dieses Mammutwerk so farbenprächtig auf die Bühne gezaubert wie Herbert von Karajan mit der Wiener Philharmonie.
Dass Karajan für den fein austarierten Klangfarbenmix geboren war, steht außer Frage. Seine Methode, Musik nicht zu dirigieren, sondern zu stilisieren, wird hier zur Perfektion getrieben. Die Planeten ist ein Akkord-Werk, nicht eines für kunstvoll verwobene kontrapunktische Finessen. Es lebt von seinen riesigen, fast architektonischen Klangflächen, den monumentalen Streicheraufbauten und massiven Blechbläserhymnen. Perfekt also für Karajan, der sich zu diesem Zeitpunkt ohnehin längst mehr als tonmalerischer Lichtdesigner denn als schweißgetränkter Taktstock-Schwinger verstand. Und die Wiener Philharmoniker? Die spielen mit der Selbstverständlichkeit eines Orchesters, das für sich beansprucht, auch die Stille zwischen den Noten in Originalbesetzung zu besetzen.
Nun mag der Gedanke absurd erscheinen, dass Karajan, bekannt für seine polierte Klangästhetik, sich ausgerechnet an Holsts rhythmisch vitalem, marschgetriebenem Monster von einer Orchestersuite vergreift. Man sollte meinen, dass der Meister der pastosen Übergänge und samtweichen Dynamikbögen hier ins Straucheln gerät. Doch Überraschung: Das Gegenteil ist der Fall. Die Planeten erweist sich als ideales Karajan-Material. Denn trotz all seiner rhythmischen Finessen ist dieses Werk im Kern ein Festival der blockhaften Klanggebilde. Holst hat es nicht mit wuseliger Polyphonie, sondern mit dem gezielten Einsatz von brachialen, elementaren Motiven. Und genau darin liegt Karajans Stärke: die Perfektion des Klangs.
Vor allem Mars, der Kriegsbringer gerät in dieser Einspielung zu einer imposanten Mischung aus musikalischem Gewaltmarsch und kosmischem Inferno. Es ist, als würde eine planetarische Kriegsmaschinerie in allergrößter Souveränität ihre Zerstörungsorgie planen. Venus, die Friedensbringerin hingegen lässt Karajan leuchten wie das reflektierte Licht auf einem sorgfältig polierten Oldtimer, während Jupiter, der Bringer der Fröhlichkeit mit majestätischer Grandezza durch den Raum stolziert. Und dann ist da noch Neptun, der Mystiker, das eigentliche Highlight dieser Aufnahme. Die flirrenden Streicher, das verhallende Frauenchor-Flirren, das Karajan in einer unaufdringlichen Unendlichkeit ausblenden lässt – es ist pure Magie.
Man könnte nun sagen, es gäbe bessere Einspielungen. Vielleicht energiegeladene von Boult, präzisere von Dutoit oder wuchtigere von Levine. Doch diese hier, mit Karajan und Wien, ist eine jener seltenen Aufnahmen, die auf einer Metaebene funktionieren. Sie ist nicht einfach nur eine Interpretation, sie ist ein Statement. Sie zeigt eine Ära, eine Philosophie, eine unvergleichliche Klangwelt. Und sie beweist, dass Musik nicht nur gehört, sondern erlebt werden will.
Wenn also die Sterne mal wieder zu weit entfernt erscheinen oder der Mars nur durch rote Staubwolken von sich reden macht – dann sei diese Aufnahme wärmstens empfohlen.
Denn wie sagt man so schön? Die beste Art, das Universum zu bereisen, ist immer noch mit geschlossenen Augen und offenen Ohren.
Komponist: Gustav Holst
Titel: The Planets
Dirigent: Herbert von Karajan
Orchester: Wiener Philharmoniker
Erschienen bei: Classical Music Reference Recording