W.A. Mozart »Horn Concertos«
Hornorgel mit Orchesterbegleitung – oder: Wie Mozart mich in eine Kutsche setzte und durch die Sommerfrische kutschierte
Es ist ja eine der schöneren Eigentümlichkeiten des Lebens, dass uns die sogenannten „kleinen Formen“ oft viel nachhaltiger im Geiste herumlungern als die großen. Während die großen Symphonien als leinwandbreite Ölporträts auftreten – ein wenig zu ernst, ein wenig zu sicher ihrer selbst –, kommt Mozarts Hornkonzert wie ein musikalischer Wink mit dem Zaunpfahl daher: charmant, biegsam, ein wenig frech. Wie jemand, der sich verbeugt, bevor man ihn überhaupt bemerkt hat.
Ich habe in den letzten Tagen viel Zeit mit der neuen Aufnahme von Alec Frank-Gemmill und dem Swedish Chamber Orchestra unter der Leitung von Nicholas McGegan verbracht – eigentlich wollte ich nur kurz hineinhören, doch es kam anders: Ich blieb sitzen. Und Mozart blieb auch.
Frank-Gemmill spielt sein Alexander-Horn in B wie einer, der das Instrument nicht bloß beherrscht, sondern sich mit ihm verschworen hat – zur klanglichen Subversion des Alltags. Alles klingt weich, rund, dabei präzise und überaus spielfreudig. Und McGegan, der alte Stilzauberer, bringt das schwedische Orchester zum Singen wie ein erfahrener Kapellmeister im Dienst der galanten Unterhaltung.
Dabei ist das alles gar nicht so galant – denn die Freude, mit der hier musiziert wird, ist keine salonfähige, sondern eine, die sich traut, auch mal in die Seitengasse zu schauen, wo der Witz wohnt. Die Rondo-Finali der E-Dur-Konzerte (Nr. 2–4) sind kleine, federnde Köstlichkeiten: Es galoppiert, tänzelt und springt, als hätte jemand den Hornisten ein Marzipanschwein versprochen, sollten sie das Tempo halten. Frank-Gemmill hält. Und lächelt vermutlich dabei.
Was die Aufnahme darüber hinaus besonders macht, ist die restaurative Fantasie, mit der hier gearbeitet wurde. Das erste Hornkonzert – ein musikalischer Torso – wurde von Frank-Gemmill und Stephen Roberts mit Leichtigkeit und Geschmack ergänzt, indem sie ein Andante aus Mozarts Violinkonzert K.211 entlehnten. Und – Überraschung! – es passt nicht nur, es leuchtet. Ganz so, als hätte Mozart es selbst vorgesehen, wenn auch in einer Nacht mit zu viel Wein und zu wenig Tinte.
Als wäre das nicht genug, wurde auch gleich ein Horn Concerto No. 0 aus wiederentdeckten Skizzen gebaut. Man kann das unorthodox nennen, aber wer schon einmal nachts an einem See saß, weiß: Nicht alles, was improvisiert ist, ist auch unvollkommen. Hier ist es vielmehr ein weiteres Argument dafür, dass wir aufhören sollten, den Kanon mit spitzen Fingern zu bewahren – und stattdessen lieber mit offenen Ohren.
Mozarts Hornkonzerte in dieser Aufnahme sind wie ein Nachmittag auf einer sonnenwarmen Veranda: Das Leben da draußen ist noch immer nicht perfekt, aber für eine Weile scheint es egal zu sein. Wenn man im zweiten Konzert das Andante hört, fühlt es sich an wie Bad in Honiglicht. Und im dritten Konzert lächelt einem die Musik so charmant zu, dass man spontan zurücklächelt – auch wenn man gerade allein im Raum ist.
Am Ende bleibt ein Gefühl von heiterer Dankbarkeit: für Mozart, für das Horn, für die Aufnahme – und dafür, dass es Musik gibt, die einen für ein paar Takte lang glauben lässt, alles sei gut. Was, zugegeben, ziemlich nah an Glück herankommt.
Komponist: Wolfgang Amadeus Mozart
Titel: Mozart: Horn Concertos
Interpret: Alec Frank-Gemmill
Orchester: Swedish Chamber Orchestra, Nicholas McGegan
Erschienen bei: BIS