Alles nur in meinem Kopf

Ich höre was, was du nicht hörst – und das ist vermutlich mein Gehirn

Gute Musik gut zu hören – das ist für viele von uns nicht bloß ein Zeitvertreib, sondern eine Form der Lebensführung.
Ein kleines, elegantes Ritual zwischen Alltag und Aufruhr.
Und wie bei jedem ernst gemeinten Ritual gibt es zwei Pole:
Emotion und Physik. Gefühl und Gerät.

Dazwischen liegt ein Spannungsfeld, das reichlich Zündstoff bietet.
Manche hören Unterschiede zwischen zwei Netzkabeln.
Andere hören nur ein Netzkabel – und das reicht ihnen auch.

Das Hören als Veranstaltung mit offenem Ausgang

Klang, so erzählen es uns die nüchternen Naturwissenschaften, ist eine Abfolge von Schwingungen, die sich durch Luft bewegen, bis sie auf ein Ohr treffen.
Soweit unromantisch.
Doch was dort im Ohr geschieht – und mehr noch, was danach im Gehirn daraus wird – ist nichts Geringeres als eine kleine, persönliche Erzählung.
Und diese Erzählung ist beeinflussbar:
durch Erwartung, Stimmung, Tagesform, Etikettierung, Weinvorrat und YouTube-Kommentare.

Ich weiß nicht, wie oft ich schon beim Klangvergleich zweier Kabel dachte:
»Ja, eindeutig! Da ist mehr Raum. Mehr Tiefe. Mehr... irgendwas!«
Nur um dann zu erfahren, dass es zweimal dasselbe Kabel war.
Das nennt man übrigens Confirmation Bias, was ungefähr so viel heißt wie: »Ich höre, was ich hören will – und bin begeistert davon.«

Zwischen Netzkabel und Nervensystem

Es gibt Menschen, die sprechen von »schwarzerem Hintergrund«, »runderem Bass« und »analogerer Luftigkeit«.
Ich gönne ihnen das.
Denn auch ich habe Momente, in denen ich mir sicher bin, dass der Klang besser ist – obwohl sich objektiv rein gar nichts verändert hat. Und ja: das ist okay.

Wir hören eben nicht mit den Ohren allein.
Wir hören mit unseren Augen, mit unseren Erwartungen, mit der Art, wie ein Stecker glänzt.
Wir hören mit dem Teil in uns, der Bedeutung sucht, wo eigentlich nur Strom durch Kupfer läuft.

Fazit: Es ist kompliziert. Aber schön.

Ich glaube, dass man Musik mit Herz hören und trotzdem ein Freund der Physik sein kann.
Dass man Klang genießen darf – auch wenn man weiß, wie subjektiv dieses Erleben ist.
Und dass eine neue Sicherung, die bei Vollmond montiert wurde, den Klang wirklich verändern kann – zumindest dann, wenn man an sie glaubt (und das tue ich).

Was zählt, ist nicht, ob ein Unterschied messbar ist.
Sondern, ob er etwas mit uns macht.

Und wenn er das tut – dann hat das Kabel, ob teuer oder nicht, seinen Dienst erfüllt.
Zumindest für diesen einen Abend.


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Nagra BPS