Nagra BPS
Foto: Nagra
Eine Phonostufe wie ein Taschenmesser – die Nagra BPS
Wenn man die Nagra BPS zum ersten Mal sieht, denkt man unweigerlich an ein Schweizer Taschenmesser, das sich eines Nachts in ein audiophiles Kästchen verwandelt hat. Klein, präzise, eigenwillig. Und wenn man sie dann hört, denkt man: Ach so – deshalb.
Der erste Eindruck: Militärpoesie auf kleinstem Raum
Die BPS – kurz für Bipolar Phono Stage – ist kein protzender Röhrenbolide, sondern eine Phonovorstufe im Format zweier Zigarettenschachteln, gespeist von einer einzelnen 9-Volt-Batterie. Ja, Sie haben richtig gelesen: Batterie. Eine Maßnahme, die in ihrer Konsequenz schon wieder poetisch ist – völlige Entkopplung vom Netzstrom, keine Störgeräusche, kein Brummen, keine Entschuldigungen. Dafür aber: 100 Stunden Energie. Danach ist Schluss – oder besser gesagt: Wechselzeit. Ein kleiner Kippschalter prüft den Ladezustand, eine rote LED leuchtet – hell wie der Sinn dieses Designs.
Die Technik: Micro trifft Makro
Innen drin? Schweizer Feinkost. Handgewickelte Übertrager, geschirmt in kleinen Mu-Metall-Kokons, eng tolerierte MELF-Widerstände nach Militärstandard und ein dual-mono Aufbau, der aussieht wie aus einem Uhrwerk gefallen. Dabei arbeitet die BPS vollständig transistorbasiert, ganz ohne Röhrenromantik, dafür mit analytischer Präzision – aber eben nicht steril, sondern mit jener diskreten Noblesse, die man nur in Genf und gelegentlich in japanischen Kalligraphien findet.
Die Anpassung an verschiedene Tonabnehmer erfolgt über Mini-Platinen, die mit einer charmant altmodischen Schraube im Innern befestigt werden. Ja, man muss das Gehäuse öffnen. Nein, das ist kein Mangel – es ist Teil der Zeremonie. Phono-Ritualistik für Fortgeschrittene.
Der Klang: Tiefer Ernst, helle Freude
Und dann – der Klang. Was diese kleine Batterie-Box leistet, ist erstaunlich. Der Bass: schwarz wie ein Schweizer Finsterwald. Die Bühne: weit, klar, strukturiert. Stimmen: seidig, mit einem leichten Anflug von melancholischer Noblesse.
Besonders eindrucksvoll: Die BPS bleibt immer gelassen. Sie klingt nicht „groß“, sie klingt präzise, detailreich, unangestrengt. Und: Sie ist gnadenlos ehrlich. Nicht brutal, nicht spitz – aber mit einer analytischen Freundlichkeit, die einem den Unterschied zwischen „Kabel klingt“ und „Kabel wirkt“ liebevoll ins Ohr träufelt.
Vergleich zum großen Bruder: David vs. Goliath, auf Augenhöhe
In einem Paralleluniversum mit Röhren und großen Gehäusen wohnt der große Bruder namens Nagra VPS – teuer, majestätisch, warm. Doch der kleine BPS reicht ihm die Hand. Nicht in allem: die Tiefe, das letzte Quäntchen Luft, die große Oper – das bleibt beim VPS. Aber die Direktheit, die Transparenz, das Wissen um das Wesentliche? Das hat auch der Kleine. Und manchmal, ganz leise, wenn keiner hinschaut, klingt er sogar frischer.
Fazit: Weniger ist ein Statement
Die Nagra BPS ist kein Gerät, das um Aufmerksamkeit buhlt. Sie tut nichts, was nicht nötig ist, und genau das mit bestechender Konsequenz. Sie ist ein Werkzeug für Musikliebhaber mit einer Schwäche für das Besondere – ein Ding, das nicht ruft, sondern flüstert: „Ich kann das.“
Und wer sie einmal gehört hat, weiß: Diese Stimme vergisst man nicht.
Technische Eckdaten (für alle, die jetzt neugierig werden):
Typ: Transistor-Phonostufe, MM und MC
Stromversorgung: 9V-Batterie, ca. 100 Std. Laufzeit
Verstärkung: 63 dB (MC), 52 dB (MM), optional SE-Version mit reduzierter Verstärkung
Anschlüsse: Cinch In/Out, Masseklemme, optionales Netzteil (klanglich ignorierbar)
Anpassung: via Mini-Platinen, MM: 100/220/470 pF, MC: 100/220/330 Ohm
Besonderheiten: handgefertigte Übertrager, vergoldete Platinen, keine internen Kabel
Maße: 11 x 3 x 16 cm
Gewicht: 480 g
Wer also glaubt, gutes Hören sei immer auch eine Frage des Volumens – der sollte sich mal leise mit der BPS unterhalten. Es wird ein langes Gespräch. Und ein gutes.