Oscar Peterson Trio »We get requests«
Wie ein Plattenspieler und ein Glas Rotwein mit Oscar Peterson meine Begeisterung für Jazz entfachten
Manchmal stolpert man in musikalische Welten hinein, die man vorher nicht für sich vorgesehen hatte. Mein Einstieg in den Jazz begann nicht etwa mit einer systematischen Annäherung an das Genre oder mit tiefschürfenden Studien zur Geschichte des Swing. Nein, er begann bei Musik im Raum, einem HiFi-Studio in Essen, wo ich eigentlich nur einen neuen Plattenspieler probehören wollte.
Da stand ich also, umgeben von edlem Holz, gedämpftem Licht und Lautsprechern, die aussahen, als hätten sie ihre eigene Raumstation verdient. Zur Demonstration legte der Verkäufer eine Platte auf – We Get Requests von Oscar Peterson. Kaum setzte die Nadel auf, war es um mich geschehen. Ray Browns Kontrabass brummte so warm, dass ich beinahe den Eindruck hatte, er stehe mit seinem Instrument direkt hinter mir. Ed Thigpens Schlagzeug flüsterte, anstatt zu poltern. Und dann natürlich Oscar Peterson, der seine Finger über die Tasten gleiten ließ, als sei das Klavier eine denkende, atmende Kreatur.
Dieses Album blieb. Es zog in mein Regal ein, heimlich, aber unwiderruflich. Es wurde zum Soundtrack für Abende, an denen mir Klassik plötzlich zu schwer schien und ich einfach nur Musik hören wollte, die fließt, swingt, atmet. Petersons Trio spielte sich so makellos durch die Standards, dass es fast beiläufig wirkte – die große Kunst der mühelosen Perfektion.
Und dann war da noch der Abend des 27. Augusts 2005 im Taschenbergpalais in Dresden. Der Abend, an dem ich zusammen mit Oscar Peterson ein Glas Rotwein trank. Nein, wir sprachen nicht über die Akkordprogression von »You Look Good to Me« oder über die Geschichte des Bossa Nova in »The Girl from Ipanema«. Es ging um alles und nichts, um Musik als Sprache, um Genie und Handwerk. Und dann, am nächsten Abend, spielte er in der Semperoper eines seiner letzten Konzerte, und ich wusste, dass ich ein Privileg erlebt hatte.
Heute gibt es unzählige Pressungen von We Get Requests. Die audiophilen Liebhaber können sich an 180g-Vinyls, SACDs und halbseidene »Limited Gold Edition Remaster«-CDs ergötzen. Einige schwören auf die Originalpressung, andere behaupten, das Reissue von Acoustic Sounds sei »endgültig«. Was für ein drolliges Konzept: endgültige Musik.
Mir ist das alles egal. Ich höre die Platte in ihrer alten, zerliebten Form, mit all den kleinen Knacksern und Fehlern, und es ist immer noch die gleiche Magie. Sie ist keine Machtdemonstration pianistischen Könnens, sondern der Inbegriff musikalischer Eleganz. Ein Album, das zeigt, dass wahre Meisterschaft nicht darin liegt, komplex zu sein, sondern darin, das Komplexe einfach klingen zu lassen.
Und so bleibt mir nur zu sagen: Danke, Oscar. Für dieses Album. Für die Musik. Und für das Glas Rotwein in Dresden.
Titel: We get Requests
Musiker: The Oscar Peterson Trio
Erschienen bei: Verve Reissues