Requien – wenn der Tod zum Konzert einlädt

Requien – wenn der Tod zum Konzert lädt

Man könnte sagen, Musik sei das Medium der Lebenden: Sie wird gespielt, gehört, bejubelt – bestenfalls mit einem Glas Wein in der Hand. Doch es gibt eine Musikgattung, die sich dem Leben zwar widmet, aber sich dennoch hartnäckig um das Gegenteil dreht: das Requiem.

Die Totenmesse ist eine musikalische Reise ins Jenseits, ein klingender Abschiedsgruß, mal tröstend, mal aufrüttelnd, mal theatralisch, mal meditativ. Anders als man meinen könnte, ist ein Requiem nicht nur Ausdruck von Trauer, sondern oft eine regelrechte Klanggewalt. Während einige Komponisten den verstorbenen Seelen das Jenseits mit himmlischen Harmonien schmackhaft machen, scheinen andere vor allem mit erhobenem Zeigefinger Richtung Publikum zu brüllen: "Eines Tages seid ihr dran!"

Die folgenden 14 Requien gehören zu den größten, bedeutendsten und schillerndsten Werken dieses Genres. Sie bieten alles – vom sanften Dahingleiten ins Nirwana bis zum Donnerschlag des Jüngsten Gerichts.

1. Mozart: Requiem in d-Moll

Das berühmteste aller Requien – und eine der größten Baustellen der Musikgeschichte. Mozart stirbt, das Werk bleibt unvollendet, sein Schüler Süßmayr füllt die Lücken, und bis heute diskutieren Musikwissenschaftler darüber, wer welchen Takt geschrieben hat. Doch das Werk bleibt, was es ist: eine düstere, dramatische und zutiefst ergreifende Totenmesse, deren Dies irae man einmal gehört haben muss.

2. Verdi: Messa da Requiem

Verdis Requiem ist für alle, die sich nicht entscheiden können, ob sie eine Oper oder eine Totenmesse hören möchten. Er lässt den Himmel donnern, die Trompeten erschallen, die Chöre toben – und dann, im nächsten Moment, kehrt die sanfteste Andacht ein. Manchmal fragt man sich, ob der Komponist in seinem Inneren nicht dachte: Wenn ich schon sterben muss, dann bitte mit Stil!

3. Fauré: Requiem in d-Moll

Falls du dachtest, ein Requiem müsse zwingend voller Unheilsprophezeiungen sein, dann kommt Fauré daher und sagt: Nein, nicht unbedingt. Seine Version ist so sanft, so tröstlich, dass man sich beinahe hinlegen möchte, um auf einer Wolke gen Himmel zu schweben. Das musikalische Äquivalent einer warmen Decke.

4. Brahms: Ein deutsches Requiem

Brahms verzichtet auf den üblichen lateinischen Text und setzt stattdessen eigene Bibelstellen zusammen – weniger Höllenfeuer, mehr Trost. Wenn Mozart und Verdi das Jüngste Gericht auf die Bühne bringen, dann ist Brahms der Pfarrer, der einem sanft die Schulter tätschelt und sagt: Alles wird gut.

5. Dvořák: Requiem

Selten gespielt, aber von großer Schönheit: Dvořáks Requiem hat Momente von himmlischer Ruhe, aber auch solche, in denen sich die tschechische Seele mit voller Kraft erhebt. Ein unterschätztes Meisterwerk.

6. Britten: War Requiem

Kein tröstendes Gedenken, sondern eine Anklage gegen den Krieg. Britten verwebt die lateinische Messe mit den Gedichten des gefallenen Soldaten Wilfred Owen – ein emotional erschütterndes Werk, das unter die Haut geht.

7. Berlioz: Grande Messe des Morts

Berlioz kann es nicht lassen. Wenn er ein Requiem schreibt, dann nicht mit einem Chor und einer Handvoll Instrumente, sondern mit gigantischen Orchesterbesetzungen, vier Blechbläsergruppen und einem Tamtam, das so heftig geschlagen wird, dass man sich fragt, ob der Himmel gleich einstürzt.

8. Duruflé: Requiem

Duruflés Requiem ist wie Faurés, nur mit noch mehr impressionistischer Eleganz. Fließende Harmonien, sanfte Gregorianik-Anklänge – die ideale Musik für alle, die sich das Jenseits als einen Ort der Stille und Schönheit vorstellen.

9. Ligeti: Requiem

Falls du denkst, ein Requiem müsse harmonisch und feierlich klingen, dann höre Ligetis Version. Hier klingt es, als würden sich Engel und Dämonen ein Duell in einer fremden Galaxie liefern. Nicht umsonst wurde es von Stanley Kubrick für 2001: Odyssee im Weltraum verwendet.

10. Ockeghem: Requiem

Das älteste polyphone Requiem, das überliefert ist – und eine Reise in eine Welt, in der Chöre noch ohne instrumentale Begleitung auskommen mussten. Ein feines, fast meditatives Klanggeflecht.

11. Cherubini: Requiem in c-Moll

Ein Lieblingsstück Beethovens, was schon einiges sagt. Feierlich, würdevoll, mit genau der richtigen Mischung aus Trauer und Erhabenheit.

12. Stravinsky: Requiem Canticles

Nur 15 Minuten lang, aber voller bizarrer Schönheit. Stravinsky nimmt nur Bruchstücke der Messe und verdichtet sie zu einem kleinen, schroffen Meisterwerk.

13. Saint-Saëns: Requiem

Saint-Saëns mochte es elegant und edel – sein Requiem ist kein Drama, sondern eine musikalische Marmorstatue. Schön und ausgewogen, ohne theatralischen Pathos.

14. Zelenka: Requiem in c-Moll

Zelenka, der ewige Geheimtipp. Sein Requiem sprüht vor barocker Dramatik und rhythmischer Originalität – ein Requiem für alle, die es gerne mit etwas Schwung mögen.

Das sind sie also, die 14 bedeutendsten Requien (meiner bescheidenen Meinung nach) – eine musikalische Reise durch Himmel, Hölle und alles dazwischen. Wer sich nun fragt, welche Aufnahmen besonders lohnenswert sind, darf sich freuen: In den nächsten Wochen gibt’s hier eine kleine Serie mit den besten Einspielungen dieser Werke. Denn was bringt das schönste Requiem, wenn es klingt, als hätte man den Chor aus einem öffentlichen Parkhaus aufgenommen?

Also: Dranbleiben, weiterhören – und sich gelegentlich daran erinnern, dass Musik für die Lebenden gemacht ist. Auch wenn sie vom Tod handelt.

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