Nagra Classic DAC II
Foto: Nagra
Wie ein Schweizer Uhrenmacher mit musikalischem Sendungsbewusstsein meinen Digitalwandler baute
Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man plötzlich beginnt, digitalen Klang zu streicheln. Nicht metaphorisch – wirklich. Man sitzt da, hört eine einfache CD – sagen wir: Verdi, 1980er-Jahre-Aufnahme, keine audiophile Extravaganz – und denkt: Wie bitte kann eine Bratsche gleichzeitig weich, ernsthaft und irgendwie höflich klingen?
Die Antwort steht vor mir. In Form eines Geräts, das aussieht wie ein medizinisches Prüfmodul aus einem Science-Fiction-Film, aber klingt wie ein Sonnenuntergang über Luzern.
Der Nagra Classic DAC II ist der Versuch, digitales Audio nicht nur in analoge Signale, sondern in Erfahrung zu verwandeln. Und wie sich herausstellt: Dieser Versuch gelingt ziemlich großartig.
Der Klassiker der zweiten Generation
Dass der DAC II ein „Classic“ ist, sollte man nicht mit Altmodischsein verwechseln. Eher mit: souverän genug, um nicht jeden Monat ein Firmware-Update zu brauchen. Im Inneren werkelt das NADM – Nagra Audio Digital Module – dieselbe Digital-Engine wie in den Referenzmodellen HD DAC X und TUBE DAC. Ob nun PCM, DXD oder DSD256 – alles wird intern auf Quad-DSD hochgerechnet, ehe es durch einen FPGA zur analogen Erleuchtung konvertiert wird.
Und das Beste daran?
Der DAC II ist sich nicht zu schade für Red Book – also die gute alte CD-Qualität. Ganz im Gegenteil: Es scheint, als hätte man in der Entwicklung besonders viel Herzblut genau in dieses (oft vernachlässigte) Format gesteckt. Und siehe da: Selbst 16 Bit können leuchten, wenn sie richtig behandelt werden.
Class-A – natürlich. Wie Fenchelhonig bei Halsschmerzen
Die analoge Ausgangsstufe läuft in purer Class-A, was bedeutet: Alles fließt. Keine schaltende Hast, keine gequetschten Impulse. Stattdessen: samtige Ruhe und ein Timbre, das nicht einfach „stimmt“, sondern sich richtig anfühlt. Verantwortlich dafür: einzeln vermessene Transistoren in Militärqualität – vermutlich bei Mondlicht getestet und anschließend mit einem Händedruck versiegelt.
Dass der DAC sich übrigens auch noch über eine externe Stromversorgung wie die Nagra Classic PSU oder das MPS freut, darf man ruhig als Einladung verstehen, das klangliche Fenster noch ein Stück weiter zu öffnen. Wer es ausprobiert hat, hört nicht „mehr“, sondern anders – gelöster, freier, irgendwie... organischer.
Digitale Eingänge? Ja, gern – aber bitte mit Stil.
Von USB (im UCA Mode 2) über S/PDIF bis Nagra Link: Die Auswahl ist üppig, aber nicht ausufernd. Alles fühlt sich logisch an, nichts wirkt überladen. Wer will, kann ihn in ein bestehendes Nagra-System einfügen – wer nicht, genießt ihn solo. RCA-Ausgang, fertig. Es ist diese typische schweizerische Nüchternheit, die hier fast schon Zen-Charakter hat: Wir bieten, was gebraucht wird. Aber bitte nicht mehr.
Und wie klingt er nun?
Wie ein guter Gesprächspartner, der zuhört, statt zu unterbrechen.
Wie ein Flügel, dessen Mechanik man nicht hört.
Wie jemand, der weiß, wann Stille mehr sagt als eine Frequenzganggrafik.
Jason Victor Serinus von Stereophile sagte auf der High End Munich, die Musik habe den Raum „mit dem glorreichsten, klanglich wahrhaftigsten Sound“ erfüllt, den er dort gehört habe. Und ich verstehe ihn gut. Denn dieser DAC korrigiert nicht – er deutet. Er fügt nichts hinzu, sondern öffnet den Vorhang. Und was dahinter erscheint, ist keine technische Sensation, sondern Musik. In ihrer besten Form: ungehindert.
Fazit
Der Nagra Classic DAC II ist ein Wandler für Menschen, die beim Hören nicht nach Frequenzbändern fragen, sondern nach Bedeutung. Für Hörer, die wissen, dass Musik nicht nur aus Nullen und Einsen besteht – sondern aus Erinnerung, Atmosphäre und manchmal auch aus Gänsehaut an Stellen, an denen man keine erwartet.
Mit seinem Preis ist er kein Impulskauf. Aber er ist auch kein Statussymbol. Sondern ein Instrument. Für das, was zählt: Musik. Ohne Filter. Mit Seele.